Ausgangslage und Zielsetzung
Dem Prozess der Entwicklung für die Neuordnung und Komplettsanierung der KGS Leeste gingen über Jahre unterschiedliche Phasen der schrittweisen Instandhaltung voran, die an der 40 Jahre alten Struktur und Materialität des Gebäudes festhielten. Für den Schulträger entstand so eine Situation der permanenten Bautätigkeit und damit unkalkulierbare Kosten und für die Schule eine Begrenzung der notwendigen pädagogischen Entwicklungsmöglichkeiten.
Angetrieben von einerseits dem Bestreben der pädagogischen Weiterentwicklung mit den Schwerpunkten selbständiges Lernen, Teamarbeit, Inklusion und andererseits eine unbefriedigende Dauerbaustelle nicht fortzusetzen zu wollen, entstand der Entschluss, der Bedeutung des Schulgebäudes als „Dritter Pädagoge“ gerecht gerecht zu werden. Eine Neuordnung und Komplettsanierung im laufenden Betrieb war der Weg, der im April 2022 seinen Abschluss findet.
In einem vierjährigen Bauprozess wurde das zweigeschossige Schulgebäude der Kooperativen Gesamtschule Leeste aus den 1970er Jahren im laufenden Betrieb kernsaniert und an die modernen Anforderungen des Schulbaus mit zusätzlich eigenständiger öffentlicher Nutzungsqualität für die Menschen im Quartier angepasst.
Kern des Entwurfes ist die Aktivierung der bisher ungenutzten Flurflächen für die pädagogische Arbeit. Eigens für das Projekt entwickelte Holz-Glas-Trennwände verbinden diese Flure mit den Klassenräumen zu eigenständigen Lernhäusern, die durch Sichtbeziehungen, Transparenz und natürliche Belichtung charakterisiert sind. Die dort integrierten Lern- und Aufenthaltsmöbel wurden gemeinsam mit SchülerInnen entwickelt und bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten als Antwort auf die von SchülerInnen und LehrerInnen formulierten pädagogischen Ziele.
Der gesamte Planungs- und Bauprozess wurde mit einem von RPI durchgeführten und vom Deutschen Kinderhilfswerk geförderten Partizipationsprozess gestaltet. Alle Beteiligten waren über alle Leistungsphasen hinweg an der Entwicklung des Planungskonzeptes nicht nur transparent informiert, sondern real beteiligt. Kernpunkte des Partizipationsprozesses waren:
- Ein mehrtägiger jahrgangsübergreifender Schülerworkshop, dessen Ergebnisse direkt in die Planungen eingingen.
- Lehrerworkshops zum Thema Gestaltung von Klassenräumen.
- Erarbeitung der Anforderungen aller Fachräume in einem iterativen Prozess mit den Fachlehrkräften.
- Personelle Kontinuität in der wöchentlich tagenden Projektgruppe bestehend aus ArchitektInnen, Schulträger und Schule, die planerische Themen und im Bauverlauf auftretende Fragen und Probleme diskutiert und diese auf der Basis des pädagogischen Konzeptes und der Ausgangsfestlegungen entschieden haben.
- Regelmäßige Baustellenbegehungen für SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern.
- Permanente Vergegenwärtigung des Schulbaus in allen schulischen Veranstaltungen.
- Einrichtung von „Musterräumen“ mit dem Ziel, die Alltagstauglichkeit der Entwürfe, Technik und Materialien im Schulalltag zu testen.
Klar ist, dass ein so realisierter Partizipationsprozess zeitintensiv ist und von den Beteiligten Verantwortung, Interesse, Engagement und die Bereitschaft zur Kooperation fordert. Aber nur ein so gestalteter Prozess befähigt zu einer wirksamen und identitätsstiftenden Partizipation, die mehr ist als die Abfrage von Wünschen.
Mit dem Ziel eines hohen Bestandserhalts bei gleichzeitiger energetischer Ertüchtigung auf den aktuellen Stand wurde das Nutzungskonzept der Clusterschule brandschutzkonform innerhalb der Gebäudekubatur implementiert. Die im Sinne der Nachhaltigkeit relevanten Bauteile wie Rohbau, Dach sowie anteilig die Fassade konnten so erhalten und weitergenutzt werden.
Die für einen Nutzungszyklus von weiteren 30 Jahren angestrebte Haltbarkeit wird durch den Einsatz von robusten, patinafähigen Materialien wie Holz, Glas und Werkstein sichergestellt, Holzwolle-Leichtbauplatten als Deckenmaterial erfüllen zusätzlich die hohen akustischen Anforderungen. Das Farbkonzept schafft Orientierung zwischen privatem und öffentlichem Raum, nimmt sich aber ansonsten soweit zurück, dass die authentischen Materialien wirken.
Durch das Zusammenspiel von Bestandserhalt, zukunftsweisendem Nutzungskonzept, bewusster Materialverwendung und den in die tatsächliche Planung eingebundenen und somit identitätsstiftendem Partizipationsprozesses ist eine wirkliche Nachhaltigkeit im Sinne eines langfristig passenden Gebäudes entstanden.
Das neue Schulgebäude bietet für das Lernen und Lehren nicht nur die Weiterführung bisheriger sinnvoller Praxis, sondern auch die Weiterentwicklung personalisierten, kooperativen und projektorientierten Lernens und provoziert durch die neuen Lernräume und durchgehende Transparenz die Veränderung von Unterrichtsgestaltung und Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
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